Als Team des Frauenhauses Leverkusen möchten wir hiermit zur Sendung von Radio Leverkusen vom 10.03.2021 Stellung nehmen. In dieser wurde berichtet, dass laut der Kriminalstatistik der Polizei Leverkusen die Anzeigen sowie Einsätze wegen häuslicher Gewalt im letzten Jahr um insgesamt 6% gesunken seien. Die Polizei zeigte sich darüber im Beitrag überrascht: Einen Rückgang der Zahlen habe sie nicht erwartet.
Die gesunkenen Zahlen lassen jedoch keineswegs auf einen Rückgang häuslicher Gewalt schließen – im Gegenteil. Vielmehr sind sie ein Warnzeichen dafür, dass es nun noch schwerer für Betroffene ist, sich Hilfe zu holen und sich zu trennen.
Die Kriminalitätsstatistik ist somit nicht als Abbild der realen Fälle häuslicher Gewalt zu betrachten, denn gerade bei diesen Delikten ist eine enorm große Dunkelziffer mit im Spiel. Ein großer Teil der Betroffenen geht gar nicht erst zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Bei den Betroffenen sind die Angst vor den Reaktionen und die Scham, die dem Thema anhaften, in vielen Fällen zu groß.
Gerade in Zeiten der Pandemie spitzt sich die Lage für Betroffene noch weiter zu. Die Gefahr der Isolation wird allgemein größer. Es gibt weniger Ausflucht- und Ausweichmöglichkeiten für Betroffene, da sich das Leben mehr als zuvor auf das Zuhause konzentriert. Der andauernde Lockdown führt dazu, dass die Gereiztheit bei vielen Menschen wächst. Zu den Einschränkungen im Alltag kommen teilweise sehr beengte Wohnverhältnisse und eventuell finanzielle Sorgen durch Jobverlust und Herausforderungen bei der Kinderbetreuung hinzu: Es herrscht großer wirtschaftlicher und psychischer Druck.
Dadurch eskalieren Situationen, die in anderen Zeiten vielleicht harmloser verlaufen wären. Für diejenigen, die sowieso schon ein unsicheres Zuhause haben, wird die Gefahr noch größer. Oft sind sie der Gewalt schutzlos ausgeliefert. Es ist aktuell auch schwieriger, Hilfe zu holen, da viele Angebote nicht wie gewohnt wahrnehmbar sind. Zudem wächst auch die Gefahr des unentdeckten Missbrauchs. Denn gerade in Schulen, Kitas und Vereinen, die weitestgehend geschlossen bleiben, wird dieser bei Kindern oft entdeckt.
Die Fallzahlen einer Statistik können eine solche Entwicklung gar nicht abschließend darstellen, denn häusliche Gewalt zeigt sich erfahrungsgemäß nicht sehr schnell in Zahlen.
Wir können aus der Perspektive unserer Arbeit keinen Rückgang der Fälle bestätigen. Die Frauenberatungsstelle Leverkusen betont außerdem, dass im letzten Jahr weitaus mehr Frauen Beratungsgespräche gefordert haben. Dies zeigt, dass die Problematik häuslicher Gewalt keinesfalls zurückgegangen ist, vielmehr ist sie noch unsichtbarer geworden als zuvor.
Betroffene sind gerade auf jede Unterstützung angewiesen – sei es durch die Polizei, Hilfsorganisationen oder die Zivilgesellschaft.